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Bibelstudium – Wer redet hier mit gespaltener Zunge?

von E.F.

Unser Königreichsdienst

Heute wurde ich an einen Mann namens Joseph Goebbels erinnert, seines Zeichens ehemaliger Reichspropagandaminister unter Hitler, der 1943 im Berliner Sportpalast eine Ansprache hielt, mit der er seine Zuhörer für den "totalen Krieg" zu begeistern versuchte. Bevor er den Sportpalast betrat, fragte er seine Begleitung nach der Zusammensetzung des Auditoriums, um zu entscheiden, "welche Platte" er auflegen solle. Er hatte natürlich für verschiedene Zuhörerschaften und Gelegenheiten auch verschiedene "Platten" bereit. Er war ein fähiger Propagandaminister und Rhetoriker.

Wieso wurde ich an diesen Mann erinnert? Ich las in "Unser Königreichsdienst", dem internen Mitteilungs- und Anweisungsblatt der leitenden Körperschaft für Jehovas Zeugen, Ausgabe für Oktober 2008, Seite 8, wo das für Christen so gut klingende Thema behandelt wird: Persönlich und als Familie die Bibel zu studieren ist lebenswichtig! Und man darf getrost davon ausgehen, dass Jehovas Zeugen mit Überzeugung überall erzählen werden, dass ihr "treuer und verständiger Sklave" sie zum Bibelstudium ansporne, ja dies sogar als lebenswichtig bezeichne.

Aber meint die leitende Körperschaft auch, was sie sagt? Zuerst scheint es so; in Absatz 2 wird gesagt:

Ehemännern und Vätern wird ans Herz gelegt, sich ihrer Verantwortung vor Jehova zu stellen und mit einem durchdachten, festen Programm dafür zu sorgen, daß die Familie regelmäßig gemeinsam die Bibel studiert (5.Mo. 6:6,7). Auch unverheiratete Brüder und Schwestern ohne familiäre Verpflichtungen, können sich diese Zeit [gemeint ist den durch den Wegfall des Versammlungsbuchstudiums frei werdenden Abend. D.Verf.] reservieren, um in der Bibel zu forschen. Jede sich bietende Gelegenheit für Studium und tiefes Nachdenken auszunutzen, um unsere Freundschaft zu Jehova zu stärken, ist heute für uns alle enorm wichtig, "weil die Tage böse sind" (Eph. 5:15,16).

Tatsächlich eine Aufforderung, die Bibel, ja die Bibel selbst, für sich sprechen zu lassen?

So klingt es zwar bis zu dieser Stelle, und so werden die Zeugen anderen gegenüber auch argumentieren. Für sie ist nicht auffällig, weil selbstverständlich, was dann in Absatz 3 unter dem Hinweis "Was dafür in Frage kommt" geäußert, ja geraten und angewiesen wird:

Mit dem Index der Wachtturm-Publikationen oder mit der Watchtower-Library auf CD-ROM lässt sich für die Studierzeiten ein Programm zusammenstellen, das auch wirklich allen in der Familie Freude macht. Man kann gemeinsam Artikel aus dem Wachtturm durchgehen, zum Beispiel die Serien "Schlüssel zum Familienglück", "Für Gespräche mit den Kindern" und "Für unsere jungen Leser". Auch die Serie "Junge Leute fragen sich" oder interessante Artikel über die Wunder der Schöpfung aus dem Erwachet! eignen sich gut.

Bibelstudium?

Oder eine weitere Gelegenheit zur Indoktrination gemäß der Wachtturmlehre. In Absatz 4 wird auch noch auf die Möglichkeit hingewiesen, Videos der Organisation anzuschauen. Damit dies "allen in der Familie Freude macht"? Oder damit die ständige Berieselung durch den Sklaven noch verstärkt wird? Meint der Sklave oder die leitende Körperschaft, was sie über das Studium der Bibel sagt, wirklich? In den "Ausführungsbestimmungen" ist von der Bibel nicht mehr die Rede.

Ich möchte zudem an die Stellungnahme der leitenden Körperschaft erinnern aus dem Unser Königreichsdienst vom September 2007; in der Rubrik Fragekasten wurde die Frage gestellt: Billigt es "der treue und verständige Sklave", wenn sich Zeugen Jehovas eigenständig zusammentun, um biblische Themen zu untersuchen und zu debattieren?

Man erinnere sich: die Antwort war ein eindeutiges Nein! Es hieß: ... Daher billigt der "treue und verständige Sklave" keinerlei Literatur, keine Websites und keine Treffen, die nicht unter seiner Leitung hergestellt oder organisiert werden.

Das ist allen Zeugen bekannt, selbst bis ins Unterbewusstsein hinein: Nichts tun, was nicht vom Sklaven sanktioniert ist! Gleichzeitig sind sie davon überzeugt – denn der Sklave sagt es ja -, dass sie zum Bibelstudium aufgefordert werden. Und warum sollten sie die Betrachtung der Wachtturm-Literatur nicht Bibelstudium nennen? Der Sklave tut das ja auch, denn das künftig stattfindende reale Buchstudium wird ja ab 1.1.2009 Versammlungsbibelstudium genannt (das erinnert mich an jemanden, der sein Schwein in Fisch umbenannte, um es am Karfreitag fleischlos essen zu können).

Die Bibel fordert Christen auf, Wahrheit zu reden (Epheser 4:15+25); sie warnt vor einer täuschenden, trugvollen, trügerischen und gespaltenen Zunge, vor Lügenzungen (Psalm 52:6; 120:2; Sprüche 6:17; 12:19; 17:20). Wer gebraucht hier Trug? Es mag sein, dass manche Zeugen wissen, was der Sklave meint, wenn er von Bibelstudium redet; aber Außenstehende haben eine andere Vorstellung davon und werden genau so in die Irre geführt wie die Lehrer an den Schulen, wenn man ihnen erklärt, die Organisation sei bildungsfreundlich, weil es in jeder Versammlung eine "Bibliothek" gäbe.

Wer ist der Herr dieses Sklaven? Der Herr der Wahrheit, der von sich sagen konnte, er sei die Wahrheit? Oder ist es vielmehr der Herr der Täuschung? Du musst dir die Antwort selbst geben!

Kommentare
01

Wie wohltuend es doch ist, wenn man nach dem Ausstieg so intensiv hinter die Kulissen der Wachtturm-Org. blicken kann! Warum war man solange blind?

Christine [26.11.2008]

02

Blind waren wir nicht, sondern wir haben uns nicht etwas zu sagen und tiefer zu untersuchen getraut. Davor wurde (doch bekannterweise) gewarnt, und man konnte keinen Gesprächspartner für diese Sache finden weil die Meisten Angst haben ausgestossen zu werden, und soziale Kontakte einzubüßen.

Dejan [06.10.2009]

03

Naja Dejan, bei allem Verständnis für diese aussichtslose Situation möchte ich doch die Frage stellen: Was ist in diesem Zusammenhang Blindheit, wenn nicht das Unterlassen von Nachfragen, Abwägen, Prüfen? Es ist doch gerade die Strategie der Wachtturm-Gesellschaft, Blindheit durch psychischen Druck zu erzwingen. Sowohl die Dämonenbelastung wie auch die Methoden, die an Sippenhaft erinnern, sind die Werke, an denen man diese menschliche Organisation erkennen kann.

Rüdiger [06.10.2009]

04

Hallo Dejan,

das ist mit ein Grund warum die Zeugen Jehovas eine Sekte sind! (Und warum Christen oft uneinig und zerstritten sind.) ;-)

Teetrinker [08.10.2009]

05

Was ist, wenn sie doch recht haben? Wenn man auf der Basis der Zeugen aufbaut und dann die Welt so sieht wie sie wirklich ist? Nur einmal angenommen Armageddon käme, und alles andere geschähe auch so wie sie es voraussagen, was dann?

Area51 [14.101.2010]

06

Wenn Jehovas Zeugen Recht haben, dann ist Jesus ein Lügner, die Bibel nur ein billiges Märchenbuch und Gott eine einzige Blamage. Ein Glück, dass Gott keine Blamage ist und Jesus kein Lügner. Ein Glück, dass die Bibel klar Auskunft gibt und sich mindestens durch die gewaltigen Zahlen erfüllter Prophetien bestätigt. Im Gegensatz zu dieser Sachlage ist aber auch nicht eine einzige Voraussage der Wachtturm-Gesellschaft eingetreten.

Rüdiger [14.10.2010]

07

Bibelstudium ...

Ich muss immer lachen, wenn ich das aus einem Zeugenmund höre. Warum? Als ich selbst noch Zeuge Sata... äh, Jehovas war, wurde die Bibel als Nachschlagwerk für vorgegebene Bibeltexte benutzt.

Bibelstudium ...

Dienstag Buchstudium, nix Bibel, nur mal ein paar Bibeltexte nachschlagen, die im Buch vorgegeben waren.

Donnerstag Theokratische Predigtdienstschule, dann wurden aus "Unser Königreichsdienst" Passagen "studiert", wieder nix Bibel, nur mal ein paar Bibeltexte nachschlagen, die vorgegeben waren.

Sonntags Ansprache, danach Wachtturmstudium, nix Bibel, nur mal ein paar Bibeltexte nachschlagen, die vorgegeben waren.

Heimbibelstudium bei Interessierten? Alleine der Begriff "Heimbibelstudium" ist schon eine Lüge, denn was wird da studiert? Publikationen der WTG, die Bibel dient lediglich dazu, zu beweisen, dass die Publikation sich angeblich an die Bibel hält, denn der Text lässt sich anhand der Bibel belegen. Dass da Bibelzitate völlig aus dem Zusammenhang gerissen werden, merkt der Unerfahrene natürlich nicht und die gefälschte NWÜ tut ihr übriges.

Gleiches bei Kreis-, Bezirks-, Sonderkongressen, die Bibel als Alibibuch für den schriftlichen und verbalen Unrat der Satanisten.

Rückblickend muss ich sagen, in den fast 15 Jahren, in denen ich dieser Psychosekte angehörte, habe ich niemals erlebt, dass längere Bibelpassagen gelesen und darüber gesprochen wurde. Was wichtig war, war nur dieser Publikationsmüll der WTG, welcher sich dann noch hochtrabend und arrogant "Geistige Speise" nannte.

Die Wahrheit wird euch frei machen, ja liebe Zeugen, sie macht frei, frei von Zwängen, Druck, Berichtszetteln, Gruppenzwang und und und ...

Diese Wahrheit findet man nicht im Wachtturm, Erwachet, Traktaten und den ganzen Büchern der WTG, die Wahrheit findet man in Jesus Christus, unserem liebenden Gott und Hirten. Ich brauche nicht jeden Monat Predigtdienststunden abzuarbeiten, um über einen bluttriefenden Boden durch Armageddon zu waten. Ich öffne mein Herz, bezeuge und erkenne Jesus Christus als meinen Gott und Hirten an und bitte ihn, mich in seine Herde aufzunehmen. Schon ist, wenn ich es natürlich ehrlich meine, mein Armageddon hinter mir.

Jesus, mein Gott, ich danke dir.

Dirk [17.11.2010]

08

Man darf ja auch keine offenen Fragen stellen, wie z.B. dass eine Scheidung nur möglich ist, wenn fremdgegangen wird, aber bei Gewalt soll sich die Frau erst totschlagen lassen, um von ihrem Mann sich zu trennen und muss eine geschlagene Frau ewig allein leben, nur weil sie sich nicht scheiden lassen darf?

Gott hat uns die Eheschließung nicht gegeben, damit wir darin unser Leben gefährden lassen vom Ehegatten oder auf Lebenszeit vereinsamen. Ich bin froh, dass es das bundesdeutsche Familienrecht gibt, dies ist menschlicher.

Ich bin mit dieser und anderen Fragen schon als Bibelstudentin exkommuniziert worden, was tatsächlich frei macht. Mit dem Ausschluss habe ich keine Probleme gehabt.

G.M. [29.06.2011]

09

Ich finde in der Bibel keine Verbindung zwischen Keuschheit und einer menschlichen Ehe-Regelung. Wer das Gegenteil von Hurerei mit menschlichen Instanzen wie dem Standesamt oder der Kirche verbindet, hat von der Bibel nicht wirklich viel verstanden. Die Verwirklichung des Willens Gottes von der Willkür einer Religionsgemeinschaft oder von den Formalitäten eines Amtes abhängig zu machen, käme mir nie in den Sinn. Der Begriff "vorehelicher Geschlechtsverkehr" kommt in der Bibel nicht vor. Ehebrecher sind nach der Bibel Menschen, die es grundsätzlich darauf anlegen, sich zu nehmen, was sich bietet. Da geht's eher weniger um amtliche Formalitäten und erst recht nicht um die Menschenquälerei einer Organisation, die durch theokratische Diktatur die Sünde zu besiegen vorgibt.

Rüdiger [29.06.2011]

10

Hallo,

das sind wichtige Fragen – die Jesus beantwortet hat. Nach dem Gesetz Gottes mussten die Juden bestimmte Regeln einhalten. Jesus hat diese Gesetze befolgt, aber manchmal war es wichtiger, ein Gesetz zu brechen – um ein wichtigeres zu halten. Für uns heißt das, die Ehe ist gut. Aber manchmal ist es besser sich zu trennen.

Im Straßenverkehr gibt es Gesetze – aber manche dürfen die brechen, z.B. Notdienste. Ein Leben zu retten ist wichtiger als eine rote Ampel. So ist es auch bei Gott. Das Gesetz der Gnade steht über aller Schuld, allem Mangel.

Ich wünsche Dir, dass Du den gnädigen und liebenden Gott kennenlernst.

Gruß,

Teetrinker [30.06.2011]

11

Hallo Teetrinker,

daher habe ich mit dem Bibelstudium aufgehört, da ich ohnehin ausgeschlossen wurde und gehe lieber nach meinem Gewissen, denn es gibt eine Redewendung, wie man es macht, ist es falsch, aber das Gewissen ist von Gott eingerichtet, genau wie das Leben, von daher gehen der Selbsterhaltungmechanismus und das Gewissen vor.

Die Bibelratschläge lasse ich lieber außen vor und finde es für mich gesünder.

M.G. [30.06.2011]

12

Hallo M.G.,

ich kann das nachvollziehen, aber ich denke, dass es Dir ohne Jesus schwerer fallen wird, Deine Vergangenheit zu meistern. Wenn Du Jesus in Dein Leben lässt ... lach mich tot

Die Kath. Kirche und noch weniger die Wachtturm-Gesellschaft haben was mit dem lebendigen Jesus an der Backe.

Was hast Du zu verlieren? Probier es doch einfach, sag ihm was Dich bewegt. Ich will Dich nicht volllabern, Dir nix verkaufen, Dir keine Religion verkaufen. Ich möcht Dir Mut machen.

Alles Liebe,

Teetrinker [01.07.2011]

PS: Das mit dem Gewissen hab ich Jahrzehnte geglaubt – stimmt nicht ;-)

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Hallo Teetrinker,

Du brachtest die Sache auf den Punkt. Da das Gewissen von Gott ist, das Leben auch und Jesus, von daher vertraue ich ohne eine Religionszugehörigkeit lieber Jesus und rede mit ihm, wenn ich etwas auf dem Herzen habe, ohne Religionszugehörigkeit. Dies meinte ich und meistens kommt mir dann die rettende Idee.

Dass Du mir nichts verkaufen wolltest, ist mir schon klar gewesen.

Danke trotzdem für Deinen Rat.

M.G. [01.07.2011]

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Vielen Dank für die grafischen Details über diese Religion. Sie erklären es wirklich gut, nie sah ich diese Religion auf diese Weise.

Jessie B. [10.01.2023]